Ausgabe 4/2021, Oktober

WIdO-Themen

Fehlzeiten-Report 2021: Aus der Krise lernen

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt vor große Herausforderungen gestellt. Wie sich Covid-19 auf das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen ausgewirkt hat und wie Unternehmen mit ihren Beschäftigten resilienter aus der Krise hervorgehen können, zeigt der aktuelle Fehlzeiten-Report.

Die Unternehmen waren in vielfältiger Weise von der Corona-Pandemie betroffen. Zum einen waren die Beschäftigten durch eine mögliche Infektion gefährdet, zum anderen mussten Betriebe schnell geeignete Maßnahmen umsetzen, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und den eigenen Fortbestand zu gewährleisten. Der Fehlzeiten-Report thematisiert die konkreten Herausforderungen für die Unternehmen und das Betriebliche Gesundheitsmanagement.  Er gibt detailliert Auskunft, wie sich die Fehlzeiten im Zusammenhang mit Covid-19 entwickelt haben.

Von März 2020 bis Juni 2021 erhielten von den 15,3 Millionen AOK-versicherten Erwerbstätigen insgesamt 3,2 Prozent eine Krankschreibung aufgrund einer Covid-19-Diagnose. Das entspricht 490.000 Beschäftigten. Bei über der Hälfte (62,4 Prozent) der Betroffenen wurde der gesicherte Nachweis der Infektion auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dokumentiert. Bei den übrigen Fällen (37,6 Prozent) wurde Sars-CoV-2 nicht durch einen Labortest nachgewiesen, sondern aufgrund eines klinischen Kriteriums als Verdachtsfall (etwa typische Symptome) und eines epidemiologischen Kriteriums (etwa enger Kontakt zu einer Person mit bestätigter Infektion) dokumentiert.

Berufe in der Betreuung und Erziehung von Kindern waren im selben Zeitraum am stärksten von Krankschreibungen im Zusammenhang mit Covid-19  betroffen (6.543 je 100.000 AOK-Mitglieder). Damit liegt der Wert dieser Berufsgruppe doppelt so hoch wie der Durchschnittswert aller Berufsgruppen (3.195 Betroffene je 100.000 AOK-Mitglieder). Es folgten Berufe in der Ergotherapie sowie in der Gesundheits- und rankenpflege. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem Berufe betroffen waren, die auch in den Hochphasen der Pandemie mit vielen Menschen in Kontakt kamen und nicht im Homeoffice arbeiten konnten.

Auch ohne Covid-19-Infektion spürten viele Beschäftigte die Auswirkungen der Pandemie, etwa durch das Arbeiten im Homeoffice. Diese Entwicklung ist eine Herausforderung für Führungskräfte, denn sie verändert die Art des Führens und den Informationsaustausch im Unternehmen. Der Fehlzeiten-Report zeigt: Ziehen Unternehmen aus den Erfahrungen in der Pandemie die richtigen Schlüsse für die zukünftige Arbeit, kann das die Beziehung zwischen erfolgreichen Unternehmen und gesunden Beschäftigten stärken, sodass beide Seiten resilienter aus der Krise hervorgehen.

Dr. habil. Birgit Verworn leitet den Forschungsbereich Betriebliche Gesundheitsförderung und Heilmittel des WIdO.

„In einer immer digitaleren Arbeitswelt mit flexiblen Arbeitsorten leitet der Fehlzeiten-Report wichtige Impulse für Prävention und Gesundheitsförderung ab.“

Dr. habil. Birgit Verworn leitet den Forschungsbereich Betriebliche Gesundheitsförderung und Heilmittel des WIdO.

Covid-19-Folgen: Hohe Sterblichkeit auch nach Klinikaufenthalt

Insgesamt 30 Prozent der stationär behandelten Covid-19-Kranken starben in der Klinik oder in den ersten sechs Monaten danach. Das zeigt die erste bundesweite Covid-19-Langzeitstudie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).

Über die längerfristigen Folgen der Covid-19-Erkrankung ist noch immer wenig bekannt. Die Sterblichkeit und den weiteren stationären Behandlungsbedarf innerhalb von sechs Monaten hat das WIdO nun bei 8.697 Erkrankten untersucht, die während der ersten Viruswelle 2020 stationär behandelt werden mussten. Von den bis zum 30. April 2020 aufgenommenen AOK-Versicherten verstarben 25 Prozent bereits im Krankenhaus. Drei Monate nach der Aufnahme lag der Anteil bei 28 Prozent, sechs Monate danach bei 30 Prozent. Von den über 80-Jährigen war nach einem halben Jahr jeder Zweite verstorben. Bei den beatmeten Patientinnen und Patienten war die Sterblichkeit mit 52 Prozent ähnlich hoch. Ebenfalls auffällig ist die hohe Wiederaufnahmerate. Über ein Viertel der Entlassenen wurde innerhalb eines halben Jahres erneut stationär aufgenommen – in den meisten Fällen wegen Problemen mit der Atmung oder neurologischer Störungen. Die WIdO-Studie liefert erstmals aussagekräftige Daten zu den längerfristigen Folgen der Covid-19-Erkrankung von hospitalisierten Patienten und zeigt, wie wichtig die Nachsorge ist. Die Ergebnisse der Studie hat das  medizinische Fachmagazin „PLOS One“ veröffentlicht.

Arzneimittel: neue Buchreihe

Im neuen Arzneimittel-Kompass analysieren namhafte Autoinnen und Autoren, wie eine faire Preisgestaltung gelingen kann.

Angesichts hoher Preise für Arzneimittel gilt es einerseits, Forschung und Entwicklung adäquat zu honorieren, andererseits die Verfügbarkeit bezahlbarer Medikamente sicherzustellen. Weiterhin analysiert der Arzneimittel-Kompass die Arzneimittelausgaben für die 73 Millionen GKV-Versicherten, die im Jahr 2020 mit 47,8 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreicht haben. Besondere Beachtung gilt dabei den Marktsegmenten Generika, Biosimilars, Patentarzneimittel und Orphan Drugs. Die Wirksamkeit der gesetzlichen Regulierungsinstrumente wird ebenfalls betrachtet.

Herausgeber der Publikation sind Helmut Schröder, Dr. Carsten Telschow und Dr. Melanie Schröder vom WIdO, Prof. Dr. Petra Thürmann von der Universität Witten-Herdecke und Prof. Dr. Reinhard Busse MPH von der Technischen Universität Berlin.

Die WIdO-Themen zum Herunterladen

Analysen – Schwerpunkt: Pflege

Weiterer Handlungsbedarf in der Pflegefinanzierung

Dietmar Haun und Klaus Jacobs, Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin

Kontinuierlich steigende Eigenanteile der Pflegebedürftigen in der stationären Langzeitpflege signalisieren seit vielen Jahren einen dringenden Reformbedarf bei der Pflegefinanzierung. Die erst ganz zum Schluss der 19. Legislaturperiode verabschiedete Pflegereform greift aber zu kurz. In diesem Beitrag wird gezeigt, dass zur Sicherung nachhaltiger Finanzierung der Pflege drei Grundsatzfragen klar beantwortet werden sollten: Was sollen die Pflegebedürftigen künftig selbstbezahlen, und welches Risiko trägt die Pflegeversicherung? Welche Rolle kann eine konzeptionell stimmig ausgestaltete Steuerfinanzierung von Bund und Ländern spielen? Wie wird dem Postulat des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen, eine ausgewogene Lastenverteilung zwischen allen Pflegeversicherten herzustellen?

Langzeitpflege zwischen Fachkräftemangel und Qualifikationsanforderungen

Lukas Slotala, Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Die qualitative und quantitative Personalausstattung in der Langzeitpflege ist für die Versorgungsqualität entscheidend. Dieser Beitrag analysiert die zentralen Herausforderungen und stellt notwendige pflegepolitische Maßnahmen vor dem Hintergrund aktuell sich abzeichnender Fachkräfteengpässe und qualifikatorischer Anforderungen an die Beschäftigten heraus. Anhand von vier zentralen Handlungsbereichen – Gewinnung neuer Auszubildender, Erhöhung der Attraktivität, Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte und Überarbeitung der Personalbemessung und des Berufsgefüges – werden Reformbedarfe beschrieben.

Qualitätssicherung im Pflegeheim: Welche Lösungen aus dem Krankenhaus lassen sich ableiten?

Antje Schwinger, Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, und Silvia Klein, Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen, Berlin

Die Qualitätssicherung (QS) in der stationären Langzeitpflege weist im Vergleich zur externen QS im Krankenhaus Unterschiede auf. Während erstere auf Erhebungen des Medizinischen Dienstes und Dokumentation durch die Pflegeheime zurückgreift, werden in letzerer Fall- und Einrichtungsdokumentation, Sozialdaten und perspektivisch Patientenbefragungen eingesetzt. Beide Systeme nutzen zudem unterschiedliche Ansätze der Bewertung. Problematisiert werden insbesondere die differenzierenden Referenzbereiche für die Prüfung durch den Medizinischen Dienst und deren Verwendung für die externe Berichterstattung. Beide Systeme stehen bei der erwünschten sektorenübergreifenden Perspektive vor der gleichen Herausforderung. Eine Reduktion auf zuschreibbare (pflegesensitive) Indikatoren bietet hier keine befriedigende Lösung, die Nutzung von Sozialdaten kann die Handlungsmöglichkeiten erweitern.